Kulturlandschaft: Vom Menschen gestaltet

Kulturlandschaft: Vom Menschen gestaltet
Kulturlandschaft: Vom Menschen gestaltet
 
Abgesehen von Eis- und Sandwüsten gibt es wohl keinen Landschaftstyp auf der Erde, der nicht vom Menschen genutzt würde. Sogar die Tundra dient als Jagdgebiet, und Trockensteppen sowie Halbwüsten können noch immer einer spärlich betriebenen Viehzucht ein Minimum an Tierfutter gewähren. Allerdings können Landschaftsformen im Grenzbereich pflanzlichen Wachstums durch Überbeanspruchung irreversibel zerstört werden und damit für immer aus jeglicher Nutzung ausscheiden. Dagegen lassen sich Naturlandschaften der Mittelbreiten sehr gut in Kulturland umwandeln und intensiv nutzen, ohne dass diese Gebiete dadurch sofort einer ökologischen Katastrophe entgegengehen. Dennoch vollzieht sich auch hier die Umwandlung von Naturlandschaften in Kulturland nicht ohne Rückwirkungen auf die Natur.
 
 Der Humusgehalt bestimmt die Bodenfruchtbarkeit
 
Mit dem Ersatz der natürlichen Vegetation durch Nutzpflanzenkulturen, seien es nun Viehweiden oder Äcker, unterbricht man den natürlichen Stoffkreislauf zumindest teilweise, denn die Nutzpflanzen werden alljährlich ganz oder teilweise abgeerntet. Im Lauf der Zeit muss deshalb der Humusgehalt des Bodens abnehmen, wenn er nicht künstlich ergänzt wird. Humusverlust führt zu einer Strukturverschlechterung des Oberbodens, denn die Humusteilchen kleben mineralische Partikel zu größeren Aggregaten zusammen (Krümelstruktur), die unter anderem eine bessere Bodendurchlüftung gewährleisten. Da Huminstoffe Ionen adsorptiv binden können, nimmt mit sinkendem Humusgehalt die Adsorptions- oder Festhaltefähigkeit des Bodens für Pflanzennährstoffe ab, sofern dieser nicht über einen ausreichend hohen Tongehalt verfügt, der das Manko ausgleichen kann. Humusarme, dem Wind und dem Regen ausgesetzte Böden erodieren ungleich schneller als humusreiche Böden, die durch eine dichte, geschlossene Pflanzendecke ganzjährig geschützt sind. Besonders augenfällig treten solche Bodenverluste in hügeligem oder in bergigem Gelände auf. Durch zu große Bodenverluste wurde in der Vergangenheit auch immer wieder wertvolles Ackerland vernichtet. In trockeneren Gebieten leisten solche Bodenverluste der Wüstenbildung Vorschub.
 
Neben dem Verlust der Fruchtbarkeit durch Bodenerosion und Unterbrechung des natürlichen Stoffkreislaufs tragen die aus wenigen oder nur einer einzigen Pflanzenart bestehenden Nutzkulturen zu einer einseitigen Mineralstoffausbeutung der Böden bei. Um gleich bleibende Erträge über lange Zeiträume hinweg zu sichern, müssen verloren gegangene Pflanzennährstoffe den Böden durch Düngung wieder zurückgegeben werden. Für die Kulturpflanzen gelingt das mithilfe gut wasserlöslicher Mineraldünger sehr schnell und zuverlässig. Dennoch können die Böden im Lauf der Zeit an Spurenelementen verarmen, weil mit den rein mineralischen Düngemitteln dem Boden in der Regel nur die Hauptnährstoffe der Pflanzen (Stickstoff, Kalium und Phosphor, gelegentlich auch Calcium und Magnesium) zurückgegeben werden. Bei langjähriger rein mineralischer Düngemittelzufuhr setzt sich der Humusschwund mit allen seinen negativen Begleiterscheinungen fort. Deshalb sollten immer Mischdüngungen mit Mineraldünger und Stallmist oder mit Mineraldünger und frischem Pflanzenmaterial (Gründüngung) durchgeführt werden. Eine verstärkte Düngung erzwingen auch die modernen Kulturpflanzensorten, die ihre hohen Erträge erst bei exzessiver Stickstoffdüngung erbringen. Damit wächst jedoch die Gefahr der Einspülung von Stickstoffverbindungen in das Grundwasser. Darüber hinaus führt die Düngung zu einer Selektion der Wildpflanzen in der Umgebung der Kulturböden und damit zu einer Ausdünnung der natürlichen Artenvielfalt.
 
 Monokulturen bringen Probleme
 
In der Regel werden Felder mit nur einer Art von Nahrungsmittelpflanzen bestellt (Monokulturen). Die Kulturpflanzen sind oftmals im Anbaugebiet nicht heimisch und außerdem werden sie durch fortgesetzte Zuchtwahl und durch ertragsorientierte Kreuzungen von ihren wild lebenden Ursprungsstämmen so weit weg entwickelt, dass sie inzwischen neue Unterarten oder sogar neue Arten bilden. Solche Züchtungen führt man isoliert von anderen Pflanzen und Tieren durch. Die Auswahlkriterien, die man während der Züchtungsarbeit anlegt, sind allein auf qualitative und quantitative Ertragsoptimierungen hin ausgerichtet. Allenfalls spielen noch Eigenschaften eine Rolle, die die Pflanzen für den maschinellen Anbau geeignet machen, sowie Resistenzeigenschaften gegenüber einigen besonders hohe Ernteausfälle verursachenden Pflanzenschädlingen. Im Wesentlichen führt jedoch eine solche Züchtung zu Lebewesen, die der Natur in gewisser Weise entfremdet sind, denn eine gemeinsame Entwicklung in unmittelbarer Gesellschaft mit verschiedenen Tieren und Pflanzen wird auf diese Weise ausgeschlossen. Daher können beispielsweise keine Fähigkeiten entwickelt werden wie Resistenz gegenüber Parasiten oder hohe Vitalität, die nötig sind, um sich in der Konkurrenz mit anderen Organismen zu behaupten. Nicht zuletzt deshalb werden Kulturpflanzen durch Schädlinge stark dezimiert, wenn man sie nicht durch geeignete Maßnahmen schützt. Eine andere Ursache für die Schutzbedürftigkeit der Kulturpflanzen gegenüber Schädlingen ist sicher die Monokultur an sich, da sie eine ungehinderte Vermehrung und Ausbreitung von Schädlingen fördert. Sogar in von Natur aus artenarmen Gesellschaften wie der Taiga, die vom Menschen noch nicht wesentlich beeinträchtigt wurden, können Schädlinge große Ausfälle verursachen, wie etwa an der nördlichen Waldgrenze Europas, wo der Birkenspanner den Birkenbestand zurückdrängt.
 
 Periodische Bearbeitung und Ernte mindern die Artenvielfalt
 
Da Äcker alljährlich neu bestellt werden, können sich keine Pflanzensukzessionen entwickeln. Ökologisch gesehen, werden hier jedes Jahr neue Pioniergesellschaften, nämlich die Kulturpflanzen, angebaut, die dementsprechend einen besonders hohen Netto-Biomasseüberschuss erzeugen, den der Mensch als Ernte für sich nutzen will. Bedingt durch diese Kulturform können sich nur noch bestimmte Unkräuter auf den Äckern ansiedeln. Die beste Anpassung an den Rhythmus von alljährlicher Saat und Ernte bringen einjährige Pflanzen mit, die spätestens bei der Ernte große Mengen an Samen freisetzen, wie etwa der Klatschmohn, die Kamille oder der Löwenzahn. Daneben können sich auch Pflanzen behaupten, die wegen ihres hohen Regenerationsvermögens aus Spross- oder Wurzelstücken oder aus Teilen von Ausläufern wieder ganze Pflanzen austreiben lassen. Zu dieser Gruppe gehören ebenfalls der Löwenzahn sowie der Huflattich, die Ackerkratzdistel oder der Kriechende Hahnenfuß.
 
Auf Weiden können Kräuter nur dann überleben, wenn sie sich dem Viehfraß und der regelmäßigen Mahd anpassen, das heißt, wenn sie sich entweder vegetativ über Ausläufer vermehren, wie beispielsweise der Wiesenklee, oder wenn ihre Blüten- und Fruchtbildung zwischen den Terminen der Mahd liegt, wie zum Beispiel bei Bärenklau, Herbstzeitlosen oder wiederum Löwenzahn. Auf Wiesen, die nur als Viehweiden genutzt werden, können sich Weideunkräuter halten, zu denen unter anderen der Hauhechel und die Zypressenwolfsmilch gehören. Die Fauna der Kulturflächen beschränkt sich wegen der immer wiederkehrenden Bearbeitung vorzugsweise auf Gliederfüßer. Vögel und größere Wirbeltiere wandern nur aus benachbarten Lebensräumen, beispielsweise Wäldern oder Hecken, periodisch ein.
 
 Hecken erfüllen wichtige Aufgaben
 
In Mitteleuropa wird oftmals parallel zur Maschinisierung der Landwirtschaft eine Flurbereinigung durchgeführt. Mit diesem Sammelbegriff umschreibt man alle Maßnahmen, mit deren Hilfe man zerstreut liegende Ländereien zusammenfasst, um sie wirtschaftlicher, das heißt kosten- und zeitsparender, bearbeiten zu können. Dazu gehört insbesondere die Zusammenlegung schmaler Ackerstreifen durch die Beseitigung trennender Feldraine, das Abholzen kleinerer Gehölzgruppen oder Hecken sowie von Gehölzsäumen an Fluss- und Bachufern, um die Wirtschaftsflächen zu vergrößern. Angesichts solcher Eingriffe in die Landschaft ist es erforderlich, sich die ökologische Bedeutung flurgliedernder Gehölze klarzumachen.
 
Hecken können aus Sträuchern und niederen Bäumen bestehen, wobei in der Regel viele verschiedene Straucharten miteinander vergesellschaftet sind, wie Schlehen, verschiedene Schneeballarten, Weißdorn, Hundsrose, Pfaffenhütchen, Feldahorn, Eberesche und andere mehr. Die Heckenränder werden von verschiedenen Gräsern und Kräutern gesäumt und an den Gehölzen ranken sich mitunter Kletterpflanzen empor, wie Hopfen, Waldrebenarten und Zaunrübe. Hecken bilden somit sehr vielgestaltige Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Darüber hinaus beeinflussen sie das Kleinklima ihrer Umgebung. Bedeutsam ist vor allem ihre Windschutzwirkung, die sich in Bodennähe bis zu einer Entfernung, die der zwanzigfachen Heckenhöhe entspricht, auswirken kann. Dadurch vermindern Hecken das Austrocknen des Bodens ebenso wie dessen Ausblasen während der Brache nach der Ernte. Nachts führen Hecken zu vermehrter Taubildung, tagsüber reduzieren sie die Verdunstung, besonders an der windabgewandten Seite. Trotz einer gewissen Konkurrenz um das Bodenwasser mit benachbarten Kulturpflanzen wirken sich Hecken ertragssteigernd auf die Nutzpflanzen aus.
 
Die Tatsache, dass Hecken Unterschlupf für eine Reihe von Tierarten bieten, mindert diesen Effekt keineswegs. Vielmehr wurde festgestellt, dass gewisse Schädlinge durch Hecken sogar in ihrem Bestand eingeschränkt werden. Beispielsweise bleiben in einer Heckenlandschaft, wie sie in Ostholstein üblich ist, Massenvermehrungen der Feldmaus aus. Auch Schwarmbildungen der Saatkrähen sind nicht zu beobachten, wenn Hecken in Abständen von weniger als 500 Metern die Landschaft gliedern, weil dadurch den Tieren die Sicht auf fressende Artgenossen genommen wird. An Gewässern unterdrückt die Beschattung durch ufernahe Gehölze das Verkrauten der Bach- und Flussläufe.
 
Prof. Dr. Günter Fellenberg
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Lebensraum: Zerstörung durch Landerschließung
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Vegetationszonen: Vom Klima bestimmt
 
 
Grabherr, Georg: Farbatlas Ökosysteme der Erde. Natürliche, naturnahe und künstliche Land-Ökosysteme aus geobotanischer Sicht. Stuttgart 1997.
 Langenheim, Jean H. / Thimann, Kenneth V.: Botany. Plant biology and its relation to human affairs. New York u. a. 1982.
 Larcher, Walter: Ökophysiologie der Pflanzen. Leben, Leistung und Streßbewältigung der Pflanzen in ihrer Umwelt. Stuttgart 51994.
 Odum, Eugene P.: Ökologie. Grundlagen, Standorte, Anwendung. Aus dem Englischen. Stuttgart u. a. 31999.
 Remmert, Hermann: Ökologie. Ein Lehrbuch. Berlin u. a. 51992.
 Tischler, Wolfgang: Einführung in die Ökologie. Stuttgart u. a. 41993.
 Tischler, Wolfgang: Biologie der Kulturlandschaft. Eine Einführung. Stuttgart u. a. 1980.
 Walter, Heinrich / Breckle, Siegmar-Walter: Ökologie der Erde. Geo-Biosphäre. 4 Bände. Stuttgart 1-21991-94.

Universal-Lexikon. 2012.

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